„Moment mal, also davon war nicht die Rede!“
In einem interkulturellen Team ertappt man sich manchmal leider dabei, die eigenen Schubladen im Kopf zu öffnen:
- „Die deutschen Kolleg*innen wollen immer ihre Planung einhalten”
- „Die französischen Kolleg*innen kommen wahrscheinlich zu spät”
Diese Vorurteile, die unsere mentalen Schubladen füllen, sind durch gesellschaftliche Stereotypen in unseren Köpfen vorhanden. Vorurteile sind meist negativ behaftet, deshalb müssen wir sie für eine harmonische Zusammenarbeit ausklammern, um unser Handeln nicht negativ beeinflussen zu lassen.
Wir finden: Es ist toll, dass unser Team interkulturell ist, denn so haben wir verschiedene Standpunkte, die eine erfolgversprechende Diskussion anregen und andere Perspektiven eröffnen. Und davon können wir selbst als Personen und auch unsere Projekte profitieren.
Was die Schwäche des einen ist, ist die Stärke des anderen!
Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich gibt es viele sehr bekannte und erfolgreiche Unternehmen.
Chanel, Jean Paul Gaultier oder Yves Saint Laurent: Durch diese und viele andere Modemarken ist die französische Arbeitskultur
weltberühmt:
- ästhetisch
- kreativ
- flexibel
BMW, Mercedes oder VW: Die extrem erfolgreiche deutsche Autoindustrie zeigt die Kompetenz deutscher Ingenieur*innen:
- analytisch
- effizient
- detailliert
Sie sehen schon, auch hier machen Stereotypen keinen Halt. Doch was sind eigentlich Stereotypen und warum muss man im Umgang mit ihnen Vorsicht walten lassen?
Kein Mensch kann sich von ihnen freimachen. Wir stellen uns zum Beispiel eine erste Begegnung mit einer Person eines anderen Kulturkreises vor. Es ist zunächst einfacher, eine Menschengruppe in bestimmte Merkmale zu unterteilen, als sich unvoreingenommen und „unwissend” in die neue Situation zu begeben. In unserem Kopf ist es mit viel mehr Arbeit und Zeit verbunden, sich ein eigenes Bild von der Person zu machen. Stereotypen helfen somit dabei, eine Art Vorwissen über sie zu besitzen und somit den Umgang mit ihr zu erleichtern.
Vorsicht ist geboten, denn jeder Mensch ist einzigartig und hat seine eigenen Charaktermerkmale, die sich von bekannten kulturellen Stereotypen grundlegend unterscheiden können. Es ist unbedingt zu vermeiden, dass ein Stereotyp negativ behaftet und somit zu einem Vorurteil wird. Vorurteile haben definitiv keinen Platz in einer harmonischen interkulturellen Zusammenarbeit.
In den folgenden Abschnitten sprechen wir über 4 Beispiele, die uns in unserem interkulturellen Alltag schon oft begegnet sind. Vergiss nicht: Manchmal können sie zutreffen, und in anderen Situationen wiederum überhaupt nicht. Aus diesem Grund sollten die folgenden Aussagen nur als Anhaltspunkte verstanden werden, um einen professionellen, selbstsicheren und empathischen Umgang gegenüber französischen Kolleg*innen und Geschäftspartner*innen zu pflegen.
1. Gut geplant ist halb geschafft … oder?
Unserer Erfahrung zeigt deutlich, dass der Umgang mit der Tagesagenda in einem internationalen Team unterschiedlich ist. In der französischen Arbeitskultur kommt es häufiger vor, dass Agendas flexibel verändert werden. Beispielsweise kann sich die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte spontan verschieben oder ein wichtiges Thema kurzfristig während eines Meetings aufgegriffen werden.
In der Arbeitswelt in Deutschland hat die Arbeitsplanung einen sehr hohen Stellenwert: Die Agenda wird stark respektiert, und wenig verändert. Dies kann auch als Grundlage für einen Vertrauensaufbau unter Kollegen oder Partnern dienen. Gleiches gilt allgemeiner für die Planung von Projektabläufen und generell für den Arbeitsalltag. (Isabelle Demangeat in „Geschäftskultur Frankreich” 2014)
2. Der Ton macht die Musik
Als internationales Unternehmen arbeiten wir täglich erfolgreich mit französischen und deutschen Kolleg*innen und Geschäftspartner*innen zusammen. Folgende Punkte müssen beachtet werden.
Laut Isabelle Demangeat in „Geschäftskultur Frankreich” (2014), beschreiben die Adjektive „beziehungsorientiert” und „kontextbezogen” den Kommunikationsstil in der französischen Arbeitswelt sehr gut. Kolleg*innen tauschen sich oft intensiv untereinander aus, was einen positiven Einfluss auf ihre Arbeitsbeziehung haben kann. Denn es wird lang gesprochen und schnell passiert es, dass man den Gesprächspartner genauer kennenlernt.
Wichtige Details bezüglich der Arbeit, die man sich merken sollte, können durchaus beiläufig im Gespräch erwähnt werden.
Wenn beispielsweise der Satz „Wir sollten XY machen” ausgesprochen wird, ist dies als ein konkreter Arbeitsauftrag zu verstehen.
Dieser Auftrag wurde implizit gegeben und muss vom Rezipienten richtig verstanden werden. In Deutschland wird diese Art der Kommunikation zunächst als vage Idee betrachtet, die noch nicht ausgereift ist und bei der noch Gesprächsbedarf vorhanden ist, bis ein klarer Auftrag kommuniziert worden ist. Dadurch kann es leicht zu Missverständnissen kommen.
Für deutsche Kollegen ist dies ungewohnt, denn in der deutschen Geschäftskultur tauscht man sich in der Regel sachlich und präzise über ein oder mehrere Themen aus. Wenn es um wichtige Themen geht, werden diese detailliert besprochen und analysiert. Ein klarer Arbeitsauftrag wird an die Verantwortlichen ausgesprochen.
Small Talk
kann dabei helfen, die Geschäftspartner oder Kollegen besser zu verstehen und ein Gefühl für deren Art der Kommunikation zu bekommen.
Small Talk ist ein tolles Mittel, um sich in einem persönlichen Licht zu zeigen.
Es kommt gut an, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern zunächst nach dem Befinden der Gesprächspartner zu fragen.
3. Berufseinstieg: berufliche Erfahrung vs. Abschluss
Erwähnenswert ist auch, dass französische Arbeitgeber viel Wert auf einen hohen Bildungsabschluss legen.
Das französische Hochschulsystem basiert auf zwei Ausbildungsstätten: einerseits Universitäten und andererseits die im Land bekannten Grandes écoles: hoch angesehene Elitehochschulen. Die Absolventen dieser Grandes écoles haben im Unternehmen schneller die Möglichkeit als Führungskräfte aufzusteigen, da der Name einer solchen Hochschule auf einem Lebenslauf Gold wert ist.
Im Gegensatz dazu ist es deutschen Arbeitgebern häufig wichtiger, dass die Arbeitnehmer Berufserfahrung mitbringen. Auch Absolventen sollten bereits praktische Fähigkeiten mitbringen. Aus diesem Grund wird nicht selten von einem Berufseinsteiger mehrjährige Erfahrung in einem ähnlichen beruflichen Feld gewünscht, z.B. als Werkstudent*in oder durch mehrere Praktika. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass in Deutschland viel Wert auf Abschlussnoten gelegt wird. So muss jeder Bewerbung stets eine Übersicht relevanter Noten aus Schule und/oder Studium beigefügt werden. In Frankreich spielt dies wiederum weniger eine Rolle. (Isabelle Demangeat in „Geschäftskultur Frankreich” 2014)
4. Liegt in der Kürze wirklich die Würze?
In Meetings spielt die recht unterschiedliche Art der beruflichen Kommunikation zwischen den beiden Kulturen eine Rolle. In Frankreich passiert es häufig, dass man über gegensätzliche Standpunkte diskutiert und man sich inmitten einer Debatte wiederfinden kann. In einer Situation wie dieser sollte man sichergehen, seinen Standpunkt klar zu vertreten und gut zu argumentieren. Was dazu führen kann, dass französische Kolleg*innen ihre Meinung ändern und Ihnen zustimmen. Diese Art von Meetings kann deutschen Kolleg*innen wiederum langwierig und repetitiv vorkommen.
In der deutschen Kultur ist man eher auf Effizienz und Produktivität bedacht: Deutsche Kollegen schätzen keine langen Besprechungen und bevorzugen kurze, konzentrierte Meetings.
Verhandlungen sind in der Regel analytisch und faktenbasiert. Eine gut recherchierte Präsentation mit anschaulichen Grafiken, empirischen Argumenten und Statistiken wird meist bevorzugt und direkte Tatsachen werden am meisten geschätzt. Der Entscheidungsfindungsprozess ist meist sehr langsam aber detailliert und es wird Wert darauf gelegt, dass alle Mitglieder des Teams dem Projekt zustimmen. Deutsche sind detailorientiert und möchten zunächst alle Gesichtspunkte verstehen bevor sie zu einer Aussage kommen. (Jochen Peter Breuer und Pierre de Bartha „Geschäftsbeziehungen erfolgreich managen” 2002)
Fassen wir zusammen
Während der Arbeit in einem interkulturellen Team kann es leichter zu Missverständnissen kommen. Als Deutsch-Französisches Unternehmen arbeiten wir täglich eng mit französischen und deutschen Kolleg*innen, Geschäftspartner*innen und Kund*innen zusammen. Darum möchten wir Ihnen hiermit einige nützliche Anhaltspunkte an die Hand geben, die zu einer harmonischen und respektvollen Zusammenarbeit beitragen können. Uns ist es wichtig, anzumerken, dass wir in diesem Artikel verallgemeinernde Aussagen treffen und unsere subjektive Wahrnehmung wiedergeben.
Wir hoffen, du kannst diesen Artikel als Anlass sehen, selbst zu versuchen, deine jeweiligen Kolleg*innen und Partner*innen zu verstehen, um erfolgreich mit ihnen zusammenzuarbeiten und eure internationale Expansion so zum vollen Erfolg werden zu lassen. Denn, wie wir bereits sagten:
Die Schwächen des einen, sind die Stärken des anderen!
Lasst uns das nächste Mal über ein weiteres Beispiel sprechen: Die Unterschiede des deutschen „Konzepts“ und des französischen „concepts“.
Hast du Fragen zu Interkulturalität im Kontext eures Internationalisierungsprojekts?
Wir freuen uns, mit dir darüber zu sprechen!